Apologie der Legion

(...) In Rumänien sind nach der Wende zahlreiche rechtsradikale Organisationen und Parteien entstanden. Rechtsradikales Gedankengut wurde nicht nur in den Publikationen dieser Organisationen verbreitet, sondern mitunter auch in erklärt demokratischen Zeitungen. Die zwei Auflagen von Hitlers "Mein Kampf" fanden einen reißenden Absatz, in unzähligen Büchern wurde die faschistische "Legion des 'Erzengels Michael'" (auch noch als Eiserne Garde bekannt) verherrlicht. Hinzukamen zahllose Publikationen, die den militärfaschistischen Diktator, Ion Antonescu als vorbildlichen Führer und als Opfer des Kommunismus darstellten.

Die einzelnen rechtsextremen neo-legionären Organisationen sind in Rumänien weiterhin zerstritten, da jede Gruppe den alleinigen Anspruch erhebt, den "nationalen Idealen" im Sinne der "Eisernen Garde" zu dienen. Alle Vorschläge zur Bildung einer einheitlichen ultranationalistischen Organisationen sind bislang gescheitert. Der kleinste gemeinsame Nenner, der diese Gruppierungen verbindet, besteht in der Verherrlichung der Frühphase der Legionärsbewegung. In der Nachwendezeit haben sich zwei unterschiedliche Tendenzen herausgebildet, die sich in ihrer nationalistischen Grundauffassung allerdings kaum voneinander abheben. Im Grunde handelt es sich bloß um eine differierende historische Beurteilung der Legion:

1.) Die Politik der Legionärsbewegung wird von ihren Anfängen bis in die Gegenwart als etwas Einheitliches angesehen.

2.) Die Führerschaft Horia Simas (1906-1993), nach der Ermordung Corneliu Zelea Codreanus (1938), wird als Verrat an der "reinen Lehre" verurteilt.

Die bis 1989 innerhalb des Exils ausgetragenen Polemiken zwischen diesen beiden Flügeln, prägten nachhaltig auch die nach der Wende in Rumänien entstandenen neuen Organisationen. Die ideologische Orientierung der jeweiligen Gruppierungen spiegelte im Grunde die Haltung der Exilorganisationen wider, die den Aufbau neuer Heimatbewegungen logistisch und materiell unterstützten.

Seit einiger Zeit hat die Debatte zwischen den Vertretern dieser beiden Fraktionen auch im Internet ihre Spuren hinterlassen. Charakteristisch für die publizistischen "Flügelkämpfe" ist der absolute Legitimitätsanspruch der jeweiligen Seite auf die unverfälschte Lehre Codreanus.

Innerhalb einer sogenannten "Newsgroup", die sich "Social culture romanian" (scr) nennt, erregte die unermüdliche Propaganda der Legionäre, der radikalen Nationalisten oder der Antonescu-Verehrer heftige Reaktionen.

Im Internet existieren übrigens mehr als 10 000 solcher "Schwarzer Bretter", die nicht nur einem bestimmten Nutzerkreis vorbehalten sind, sondern weltweit von allen Internetlesern empfangen werden können. Für die Suche nach bestimmten Stichwörtern wie "Legion", "Codreanu", "Antonescu" etc. können Suchmaschinen wie beispielsweise Alta Vista eingesetzt werden, die zu jedem dieser Begriffe zahlreiche Dokumente mit genauer Internetadresse auswerfen.

In einem in der Bukarester Zeitschrift "22" veröffentlichten Brief, beschreibt ein aufgebrachter Leser aus Los Angeles den Tonfall innerhalb der scr-Newsgroup als "nationale Schande", die Sprache als unflätig und die verbreiteten Botschaften als "giftig". Ein Internetanbieter rumänischer Publikationen hingegen beschreibt die scr-Newsgroup sichtlich konsterniert als qualitatives Abbild der öffentlichen Debatte in Rumänien. Empört forderte ein scr-Leser die Bestrafung jener "Personen, die ihre faschistischen, fremden- und schwulenfeindlichen Botschaften" im Internet verbreiten. "Die Jugendlichen sind im Dezember 1989 nicht deshalb gestorben, um nach 7 Jahren relativer Freiheit eine Wiedergeburt jener faschistischen Gedanken zu erleben, die nun unangefochten auf dem scr-Nachrichtenbrett veröffentlicht werden." Der Verfasser beendet sein Schreiben mit der Losung: "Gebt den Netnazis keine Chance!"

Unter den scr-Diskussionteilnehmern fiel vor allem ein besonders aktiver Personenkreis auf, der sich sozusagen darauf spezialisiert hatte, das von den "Kommunisten geprägte Bild der Legionärsbewegung" zurechtzurücken. Viele Teilnehmer benutzen als eMail-Absender anstelle ihres Namens einen sogenannten Alias und können somit nicht identifiziert werden. Über die eMail-Adresse läßt sich jedoch der Kontakt zu dem Absender herstellen. Die elektronischen Botschaften dieser Leute enthalten Auszüge aus der klassischen Legionärsliteratur beziehungsweise auch Gedichte, die aus der Feder bekannter Legionärslyriker stammen: Radu Gyr, Nichifor Crainic, Vasile Posteuca,. N. S. Govora u.a. Von den scr-Texten enthielten die Auszüge aus einem antisemitischen Machwerk, verfaßt von einem gewissen Nicolae Nita, nicht nur gravierende historische Fehler, sondern auch böswillige Unterstellungen und politische Diffamierungen. Der Autor stellt in seinem Buch, "In der Höhle des wilden Tieres" eine Liste prominenter rumänischer Juden auf, um zu beweisen, daß ausschließlich Fremde (alogeni) für die Verbreitung und Durchsetzung des Kommunismus verantwortlich waren. Die jüdischen Autoren hatten, laut Nita, bereits in der Zeit zwischen den Weltkriegen, die rumänische Literatur "destabilisiert" und dann während der kommunistischen Ära wesentlich zur sozialistisch-realistischen Gleichschaltung beigetragen. Dieser Entwicklung, behauptet der Verfasser, hatten sich die Legionäre vor und nach dem 2. Weltkrieg mutig widersetzt. Als Beweis für diesen nationalen Heldenmut erwähnt derselbe Autor die in den Karpaten verschanzten antikommunistischen Partisanenverbände, die zu 70 Prozent aus Angehörigen der Legionärsbewegung bestanden haben sollen.

Am aktivsten im Internet ist zur Zeit die um die Temeswarer Zeitschrift "Gazeta de Vest" gruppierte Anhängerschaft des radikalen Sima-Flügels. Die erwähnte Gazette ist nach der Revolution von einer Gruppe von Mitarbeitern der Temeswarer Studentenzeitschrift "Forum Studentesc" herausgegeben worden. Innerhalb der Redaktion kam es bereits in der Anfangsphase ihres Bestehens zu Auseinandersetzungen zwischen Sympathisanten der Legionäre und Gegnern der rechtsradikalen Linie. Die um Ovidiu Gules gescharten Befürworter des redaktionellen Rechtsrucks setzten sich schließlich durch. Als neuer Herausgeber verwandelte Gules das Blatt in eine angriffslustige rechtsradikale Postille, die im Vergleich zu anderen ähnlichen Publikationen Rumäniens alle finanziellen Engpässe immer erfolgreich überwunden hat. Später gründete Gules auch den "Gordian"-Verlag, der bislang einige Dutzend extremistischer Legionärsbücher veröffentlicht hatte (darunter Werke von Codreanu, Sima, Ion Mota und Grigore Oprita). Die überaus reiche publizistische Tätigkeit der "Gazeta-de-Vest"-Gruppe wird, laut unbestätigten Berichten, von den im Exil lebenden Legionären finanziell unterstützt. Zahllose Schriften der Leute, die dem radikalen und äußerst aktiven Sima-Flügel angehören, sind deshalb nicht zufällig gerade im Temeswarer "Gordian-Verlag" erschienen.

Die militante "Gazeta de Vest"-Gruppe nutzte ursprünglich das Internet über einen von der Soros-Stiftung zur Verfügung gestellten Server. Auf diese Weise wurden internationale Kontakte hergestellt, Ideen ausgetauscht, Gleichgesinnte schickten ihre eMails an den Herausgeber der Publikation. Nachdem mehrere Leser das Treiben der Gules-Gruppe mitverfolgt hatten, schickten diese empörte Briefe an die Soros-Stiftung. Ende 1996 wurde Gules dann der eMail-Anschluß und somit auch der Internetzugang über den Soros-Server gesperrt. In einem Artikel beschreibt Gules die Maßnahme der Stiftung als politische Zensur, seine propagandistischen Streifzüge durch das elektronische Kommunikationsnetz jedoch als unschuldigen "Versuch gleichgesinnte junge und ältere Leute zu kontaktieren".

1996 veröffentlichte die "Gazeta de Vest" unzählige Artikel, die von den verschiedenen international publizistisch tätigen Neonazigruppen über das Internet verbreitet wurden. Darunter befanden sich revisionistische Texte von Ernst Zündel, Texte aus dem Thule-Netz und vor allem Beiträge aus der englischen neofaschistischen Zeitschrift "Final Conflict". Diese Publikation ermöglichte der "Gazeta de Vest" schließlich eine eigene Internetseite einzurichten, auf der in mehreren europäischen Sprachen (darunter auch deutsch) ausgewählte oder Originalbeiträge der rumänischen Neolegionäre erscheinen.

Der Kanadadeutsche Ernst Zündel kündigte zudem in seinem berüchtigten "Germania Rundbrief - Dezember 1996" an, demnächst auch eine rumänische Internet-Seite einzurichten, um auf diese Weise das interessierte Publikum "über den unverfälschten deutschen Standpunkt" (...) "zum Thema Revisionismus - d.h. Auschwitz, Gaskammern, Leuchter usw. informieren zu können".

Die aus dem Umfeld der "Gazeta de Vest" stammenden Texte lassen sich thematisch perfekt an das politische Weltbild anderer neofaschistischer Gruppierungen ankoppeln. Die Internet-Seiten der "Gazeta de Vest", die wiederum durch mehrere links auf ähnlich ausgerichtete Informationsquellen verweisen, enthalten thematisch unterschiedliche Beiträge und Mitteilungen und sind zumeist auch illustriert. Die Internetseite der "Gazeta de Vest" umfaßt folgendes Angebot:

a.) Beiträge zur Geschichte der Legionärsbewegung und zur -ideologie;

b.)Texte prominenter Legionäre (Codreanu, Sima) oder Texte bekannter Autoren zur Legion (Evola);

c.) Berichte und Informationen über internationale Beziehungen zu anderen rechtsextremen Gruppen (aus Großbritannien, Deutschland, Polen, Spanien, Amerika, Portugal, Italien);

d.) Bibliographische Empfehlungen;

e.) Bestellmöglichkeiten von legionärsfaschistischen oder rechtsextremistischen Publikationen und Tonträgern, Versandanschriften;

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